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Die Deutsche Telekom ist eine der wichtigsten Unternehmen in Europa, wenn es um die Gestaltung der Zukunft von Internet und Digitalisierung geht. Um die Diskussion in diesem Handlungsfeld zu beeinflussen, hat man in den letzten 2 Monaten mehrere Veranstaltungen (Autorenlesungen) durchgeführt, die insgesamt von den Bonnern und den Telekom-Mitarbeitern gut besucht wurden.

Am 11.10 2016 war der letzte Termin der Telekom-Veranstaltungsreihe, die sich selbst als Initiative „Digitale Verantwortung“ eingestuft hat. Eingeladen nach Bonn in die Konzernzentrale in der Nähe der neuen Telekom Design Gallery war der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Bevor Schaar zu Wort kam, wurde sehr ausführlich gedankt: Der Veranstalter Deutsche Telekom war sehr zufrieden mit der Resonanz, die die unterschiedlichen Themenabende bei Mitarbeitern und Bonner Bürgern hatten. Zum Abschluss der Reihe wollte man öffentlichkeitswirksam die eingenommenen Eintrittsgelder einem guten Zweck zuführen. Da der Mitveranstalter der Bonner General-Anzeiger war, lag es nahe, dass dessen Weihnachtslicht-Aktion bedacht werden sollte. Die Telekom spendete 5.000 €, womit die Eintrittsgelder nach oben abgerundet waren.

Peter Schaar las aus seinem Buch „Das digitale Wir: Unser Weg in die transparente Gesellschaft“. Allerdings waren die Vorlesephasen angenehm kurz. Der Referenz nutzte eher die Möglichkeit, seine Gedanken frei vorzutragen. Er betonte auch, dass seine Ausführungen über den Rahmen der herkömmlichen Datenschutzerfordernisse hinausgehen. Er wolle sehr viel allgemeiner auf die Relevanz der Internetentwicklung und des zunehmenden Technik-Einsatzes eingehen.

Datenschutz ist ein Regulierungs-Ansatz, der dann greift, wenn personenbezogene Daten in Entscheidungsabläufe einfließen. Dieser Bereich ist in Europa schon sehr weitgehend reguliert, wobei Schaar ausdrücklich begrüßte, dass in dem angedachten europäischen Datenschutzgesetz wesentlich stärker als bisher auch Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen sind. Sollte die gegenwärtige Bundesregierung hier – wie zu hören sei – hier in Brüssel eine Verwässerung vorsehen, dann wäre dies nicht gut, denn große internationale Konzerne werden durch wenige 100.000 Euro Strafe wohl kaum abgeschreckt.

Auch wenn nicht direkt Datenschutz bezogene Fragestellungen tangiert sind, dann gäbe es Gründe genug, regulierend auf die Prozesse der Internetentwicklung einzuwirken.

Ausführlich ging Schaar auf das Beispiel Scoring (=Bewertung) ein, wie man es von der Schufa her kennt. Es gibt ein Urteil des Bundesgerichtshofes, wo ausdrücklich gesagt wird, dass die genauen Vorgehensweisen bei der Berechnung eines Scores nicht offengelegt werden muss. Faktisch bedeutet dies, dass rein statistische Risikokriterien dazu führen können, dass ein Kunde Nachteile hat, beispielsweise wenn er einen Kredit abschließen will, obwohl tatsächlich individuelle Risiken nicht vorzuliegen brauchen. Über Schaar hinausgehend möchte ich dazu anmerken, dass in Zukunft es sogar dazu kommen kann, dass selbst der Scoring-Berechnungs-Anwender selbst nicht mehr erklären kann, warum eine Bewertung gut oder schlecht ausfällt, weil er zur Software-Entwicklung neuere Methoden der Künstlichen Intelligenz (Deep-Learning) eingesetzt hat.

Auch das von Schaar ebenfalls angesprochene zweite Beispiel (dynamische Preisbestimmung = Dynamic Pricing) zeigt auf, dass auch ohne Verletzung von Datenschutz-Prinzipien erhebliche Nachteile für Käufer im Internet entstehen können. Allgemein bekannt sei, dass Unternehmen versuchen, beim Kaufprozess eines Online-Käufer zu bestimmen, wie stark dessen Interesse sei beziehungsweise wie groß dessen finanzielle Möglichkeiten sind, das gewünschte Produkt oder die gewünschte Dienstleistung zu erwerben. Wer einen teuren Rechner hat und oder besonders starkes Interesse hat, ein bestimmtes Produkt zu erwerben, der muss damit rechnen, dass dies ein Algorithmus während des Kaufvorgangs erkennt und dass für ihn dann der Vorgang teurer wird als bei einem Käufer, der einen alten Rechner hat oder der sein Interesse gut zu verbergen wusste.

Ebenfalls regulierungsbedürftig ist für Schaar die Taktik von Netzwerk-Anbietern, die versuchen, ihre Kunden in ihren Systemen zu halten, indem sie es unterbinden über allgemein verfügbarer Schnittstellen die Daten auf andere Systeme zu übertragen. Hier wäre der Gedanke der Interoperabilität zu unterstützen: Schließlich ist es auch selbstverständlich, dass man seine Telefonnummer mitnehmen kann, wenn man zu einem neuen Telekommunikationsanbieter wechselt. Seine Daten und Kontakte, die man innerhalb eines sozialen Netzwerks gesammelt habe, könne man gegenwärtig nicht auf einen anderen Anbieter übertragen.

Schaar bei der Telekom

Schaar bei der Telekom

Nach dem Referat von Schaar gab es zunächst eine Diskussion, die vom Chefredakteur des General-Anzeigers geleitet wurde. Der eingeladene Bonner Abgeordnete musste wegen einer aktuellen privaten Problemlage kurzfristig absagen, auf dem Podium standen Schaar zwei Vertreter der Telekom gegenüber. Alle vier Herren waren aber in den aufgeworfenen Fragestellungen weitgehend einig, auch als in der zweiten Hälfte des Gesprächs das Publikum um Fragen und Stellungnahmen gebeten wurde.

Von den Vertretern der Deutschen Telekom wurde betont, dass der europäische Datenschutz inzwischen zu einem Qualitätsmerkmal geworden ist, der in Gesprächen gegenüber Kunden verwandt werden kann, um diese zu motivieren, ihre Daten in Europa aufbewahren zu lassen. Hier hätten insbesondere nach den Enthüllungen von Edward Snowden neue Einsichten an Relevanz gewonnen.

Wie schon bei der ersten Veranstaltung der Reihe beobachtet werden konnte, war das Publikum recht kritisch gegenüber der neueren Internetentwicklung eingestellt. Es wurde gezielt nach Steuerungsmöglichkeiten gefragt, um Verbraucher- und Nutzerinteressen besser zu berücksichtigen. Mehrfach wurde die Frage aufgeworfen, wie man sich zu dem Problem stellt, dass eine im Internet eingebundene Kaffeemaschine als Angriffsmittel von Hackern verwendet werden kann. Die Vertreter der Telekom ließen durchblicken, dass es eigentlich nicht unbedingt nötig sei, Kaffeemaschinen ans Internet anzuschließen, zumal wenn diese über eine Technik verfügen, für die niemals eine Netzanbindung vorgesehen worden war. Auch die Kühlschränke von heute sollten besser nur offline genutzt werden.

Allerdings vertritt die Telekom in ihrer ein Stockwerk höher gelegenen Design Gallery ein eher gegenteiliges Konzept. Dort konnte man sich als Besucher vor Beginn der Lesungen davon überzeugen, dass in Zukunft nicht nur die Kaffeemaschine und der Kühlschrank, sondern jedes einzelne Objekt im Haus, im Büro oder am Arbeitsplatz eine eigenständige Internet-Adresse bekommen könnte. Während also diese Ausstellung für wenig kritischen Internet-Optimismus steht, hat die Veranstaltungsreihe zur digitalen Verantwortung insgesamt eher eine kritische Haltung unterstützt.

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